Chōhō
Erste Erwähnung von Spionage
Die erste Erwähnung über Spionage (chōhō) findet man in Sun Tzu’s Die Kunst des Krieges, dem chinesischem Klassiker über Kriegsführung. In China war es in früher Zeit üblich einen Sieg mit unglaublicher Truppenmasse zu erreichen. Doch die Folgen waren für die Landschaft und Struktur katastrophal. Es wurden unzählige, mehrere Generationen dauernde, lange, blutige Schlachten mit tausenden Toten geführt.
Ein Heer von hunderttausend Männern auszuheben und mit ihnen über weite Entfernungen zu marschieren bedeutet große Verluste an Menschen und eine Belastung der Staatsschätze. (…) Feindliche Armeen können sich jahrelang gegenüberstehen und um den Sieg ringen, der an einem einzigen Tag erkämpft wird.
Da dies so ist, ist es der Gipfel der Unmenschlichkeit, über die Verfassung des Feindes im unklaren zu bleiben, nur weil man die Ausgabe von hundert Unzen Silber für Belohnungen und Sold scheut.
– Sun Tzu, Die Kunst des Krieges
Auch heute ziehen Feldherren oft lange Feldzüge mit hohen Menschen- und Materialkosten vor. Es werden Stellungen ausgehoben und man verschanzt sich. Doch könnte ein einziger Spion oder Saboteur durch seine Leistungen den Krieg um Jahre verkürzen.
Gesetze zur Kriegführung?
Krieg ist ein nicht zu akzeptierender Zustand, und ein Ninja könnte nie zulassen, das sein Herr einen Krieg anzettelt. Doch wenn die Freiheit des eigenen Landes von anderen angegriffen wird und man gezwungen ist sich zu verteidigen, dann bemüht sich ein Ninja, alles zu tun, um diesen Konflikt so schnell wie möglich zu beenden.
Daher ist es bedenklich, in was für einer Welt wir leben, wenn heute Regeln für den Krieg aufgestellt werden. Es handelt sich doch nicht um ein Spiel!
Natürlich ist es verständlich, dass diese Regeln dafür sorgen sollen, das die Zivilbevölkerung vor Massakern geschützt ist, doch ist es fraglich, ob Regeln nützen, wenn sich Diktatoren und Tyrannen ohnehin nicht daran halten. Und wie immer entscheidet der Sieger eines Krieges über Strafe und Bestrafung. Denn Sieger werden sich wohl in den seltensten Fällen vor irgendeinem Gericht verantworten müssen.
Daher halte ich es für sehr bedenklich, dass Spionage und Sabotage in diesen Kriegsgesetzen als niederträchtig und verachtenswert angesehen werden, der Abschuss von Langstreckenraketen, Panzerschlachten und Infanterie jedoch als Teil der normalen Kriegsführung betrachtet werden.
Spionage zur Kriegsverkürzung
Im Laufe der Zeit wurde oft genug bewiesen, das diese verachtenswerten Spione hunderttausenden Soldaten das Leben gerettet haben. Sie haben das Gleichgewicht der Atommächte wieder hergestellt, die Enigma-Maschine gestohlen und so Tausenden von Nachschubschiffen die Versenkung erspart. Die berühmten britischen Commandos haben durch ihre Sabotageakte Großbritannien nach dem Überfall der Deutschen eine Atempause gewährt. Sie haben Schiffs- und U-Bootwerften in die Luft gejagt, Ziele für die Bomber ausgekundschaftet und Verhindert das die Massenvernichtungswaffen, wie V2 in Serienproduktion gingen. Und ein deutscher Spion hatte für die Russen herausgefunden, dass die Japaner keine Invasion auf Russland planten. So konnte Stalin seine Truppen mit ganzer Stärke nach Deutschland schicken und mit Hilfe der Alliierten den Krieg beenden.
Jeder sollte sich dies durch den Kopf gehen lassen, und überdenken, wer eigentlich Recht und Unrecht definiert und welche Interessen er verfolgt.
Anonymität
Eine wichtige Grundlage für Spionage ist Anonymität. Dies war das Erfolgsrezept der Ninja, was auch (mumei mugei no jutsu, dt. Keine Kunst, kein Name) genannt wurde. Um seine Anonymität zu bewahren sorgte der Ninja dafür, dass niemand sein wahres Gesicht kannte.
Bei einer drohenden Gefangennahme kam es vor, dass er sich sein Gesicht zerschnitt, um nicht identifiziert werden zu können, oder seine Zunge herausschnitt, um nichts preisgeben zu können. Manchmal waren auch zwei Ninja zusammen auf einer Mission. Wurde der eine gefasst, so hatte der andere den Auftrag seinen Kameraden zu töten.
Ein Prinzip der Ninja (yomogami no jutsu, dt. eine Frisur, aus vier verschiedenen Seiten betrachtet, muss immer gleich aussehen) besagt, dass man sich immer mehrere Namen und Identitäten zurechtlegen sollte. Der berühmte jōnin Momochi Sandayu hatte sogar zwei verschiedene Familien mit Kind und Haus. Er war gleichzeitig der jōnin Fujibayashi Nagato. So führte eine Person zwei verschiedene Gruppen von Ninja an.
Der Grund für Spionage ist das Verschaffen eines Vorteils für den Krieg. Man kann als reine Auskundschaftung die Stärke, Bewaffnung etc. des Feindes herausfinden, und so seine Feldzüge besser planen.
Spionagearten
Grundsätzlich kann man dies zwei Bereiche teilen: Spionage in Friedenszeiten (tōiri) und Spionage und Sabotage während des Krieges (chi kai ri).
Wenn man Spionage betrieb oder einen Sabotageakt plante, so waren unbedingt sechs verschiedene Punkte für einen erfolgreichen Abschluss einer Mission zu beachten:
Ninja platzieren
Ein Ninja musste während seiner gesamten Mission unbemerkt bleiben und durfte nicht auffallen. Dazu musste er ein möglichst normales Auftreten und Aussehen annehmen.
Eine Möglichkeit bestand darin Agenten schon zu Friedenszeiten in möglichen Kriegs- oder Unruhegebieten zu platzieren. In Friedenszeiten war es mit Sicherheit weitaus einfacher sich in eine Gesellschaft zu integrieren und sie zu unterwandern.
Der Ninja lebte sich in seinem Einsatzgebiet ein und wurde ein Teil der Gesellschaft. Er knüpfte Kontakte, sondierte mögliche Verbündete, hielt viel Konversation ab, observierte Objekte und arbeitete sich in die nötigen Informationen ein.
Wenn möglich besetzte er mit seinen Agenten wichtige Schlüsselpositionen im Militär oder in der Kommunikation. In Kriegszeiten ist dies kaum mehr möglich, weil die Überprüfungen zu stark sind.
Außerdem konnte er Karten zeichnen und so in Kriegszeiten der Truppe eine bessere Bewegung ermöglichen.
Eine andere Möglichkeit bestand darin den Feind zu verwirren oder ihn im Unklaren zu lassen. Man ließ in seinem Geist ein Gefühl der Sicherheit entstehen. So konnte man z. B. einen Agenten mit Informationen abfangen lassen. Der Informant trug bei sich dann Dokumente, die aber nur falsche oder fehlerhafte Informationen enthielten. Auf diese Weise konnte man sich auch eines Verräters in den eigenen Reihen entledigen, wenn man ihn wissentlich mit Falschinformationen versorgte.
Spione
Es gab fünf verschiedene Arten von Spionen, die man für einen Spionage- oder Sabotageauftrag einsetzten konnte:
- Eingeborene Spione – Er war in Operationsgebiet zu Hause und kannte deshalb Geographie, Sprache, Bräuche und Bewohner. Ein solcher Spion war nicht leicht zu tarnen, weil er überall bekannt war.
- Innere Spione – Wenn man einen Spion aus der gegnerischen Mannschaft rekrutierte, so nannte man das einen inneren Spion. Männer, die degradiert worden waren, Kriminelle, die bestraft worden waren, geldgierige Personen.
- Überlebende Spione – Wenn ein Spion nur für den Zeitraum seiner Mission in das Feindesgebiet eindrang und nach deren Beendigung nach Hause zurückkehrte, so nannte man das einen überlebenden Spion.
- Übergelaufene Spione – Einen feindlicher Spion, der die Seiten gewechselt hatte und nun für die eigene Seite arbeite, nannte man übergelaufene Spione oder Doppelagenten. So ein Agent ist jedoch immer ein großes Risiko, weil seine Loyalität auch wieder wechseln konnte und er eventuell nur ein Doppelagent der anderen Seite sein konnte.
- Todgeweihte Spione – Ein Spion, der aus irgendwelchen Gründen bei seinem Herren in Ungnade gefallen war, oder der sich als Verräter oder Doppelagent entpuppte, wurde in den Tod geschickt. Man konnte ihn vorher noch eine Weile mit falschen Informationen versorgen und dann nutzte man ihn meist noch, um eine letzte List mit seiner Hilfe auszuführen.
Kunoichi
Man konnte auch kunoichi im feindlichen Einsatzgebiet positionieren. Sie wurden meist nicht angetastet und konnten näher an Feldherren und Samurai herankommen. Sie benutzten ihre Intuition, Psychologie und Manipulation, um ihr Ziel zu erreichen. Man unterschied zwischen zwei verschiedenen Arten von kunoichi:
- Shimma kunoichi – Diese kunoichi war ein weibliches Mitglied eines ninja-ryū. Sie hatte eine Kampfausbildung genossen und war in speziellen Taktiken und Strategien ausgebildet worden. Meist leitete ein männlicher kantō kusha (Kommandeur) eine Gruppe von kunoichi. Er unterstützte sie, nahm ihre Informationen entgegen und half ihnen, wenn eine Flucht nötig war.
- Karima kunoichi – Es gab zahlreiche Frauen, die der kunoichi wissentlich oder unwissentlich Informationen zutrugen. Diese kunoichi hatte nur selten eine kurze Unterweisung in Spionage bekommen. Sowohl Frauen aus dem Bereich der Burg, als auch Frauen von niederem Stand (Prostituierte, Bauern) hielt sich eine kunoichi als Informanten.
Die Dienste von Verrätern nutzen
Ein weitere Möglichkeit bestand darin, die eigenen Leute des Feindes für seine Zwecke zu benutzten. Man suchte sich Unzufriedene heraus und stiftete sie zum Verrat an. Dazu wurde das Prinzip des gojō goyoku (Manipulierung durch die fünf Wünsche). Dabei war ein hochrangiger Verräter natürlich weit aus wertvoller, als ein anderer. Doch auch in der Bevölkerung suchten die Ninja sich Hilfe und Unterstützung, meist schon zu Friedenszeiten. So konnte ein Ninja zu Friedenszeiten eine Familie finanziell unterstützen. In Kriegszeiten musste diese ihm dann zu Diensten sein. Sie mussten den Ninja ihr Haus als Unterschlupf gewähren, kleinere Informanten- und Spionagedienste erledigen oder vielleicht sogar ihre Tochter als Konkubine in die Dienste des feindlichen Fürsten geben, um einen Zugang zur Festung zu erhalten.
Es wurden manchmal auch zwei Agenten ohne Wissen vom anderen auf die gleiche Mission geschickt. Zum einen hatte man so eine größere Objektivität zum Geschehen, zum anderen konnte man auf diese Weise leicht Doppelagenten enttarnen.
Wenn man einen feindlichen Agent enttarnt hatte, so konnte man ihn eine Weile lang mit falschen Informationen versorgen und ihn dann bei seinem Herren durch offensichtliche Täuschung in Misskredit bringen, so dass er entweder getötet wurde oder nur noch überlaufen konnte.
Man konnte auch einen eigenen Agenten benutzten, der sich nach einem scheinbaren Streit oder für ein höheres Geld von seinem alten Herren trennte. Er warb beim Feind an und arbeitete für ihn eine Weile. Es soll sogar vorgekommen sein, dass ein ninja einige Ninja seines eigenen Clans im Auftrag des feindlichen Herren tötete, ehe er seinen Auftrag erledigte und wieder zu seinem alten Herren zurückkehrte.
Eine beliebte Taktik des Ninja (kami gakure no jutsu, dt. die Kunst sich hinter Gott zu verstecken) bestand darin sich über Umwege dem Ziel zu nähern. Wenn das Zielobjekt zu stark bewacht wurde, dann informierte sich der Ninja im buddhistischen oder shintoistischen Tempel über die Verwandtschaft seines Zielobjektes. Er versuchte sich mit einem Verwandten oder engem Vertrauten zu befreunden. Früher oder später kam er auf diese Weise in die Nähe seines Zieles.
Ziele bestimmen
Als nächstes musste der Ninja die Ziele des Feindes herausfinden. Dazu observierte ein Team über längere Zeiträume hinweg das feindliche Gebiet.
Spione aus dem engeren Vertrautenkreis wussten vielleicht näheres über die Pläne des Feindes. Er verschaffte sich Zugang zu streng geheimen Räumen und Dokumenten und versuchte seinen Gegner zu durchschauen.
Strategien bestimmen
Dann galt es die Strategien des Feindes zu erkennen und zu analysieren. Man musste herausfinden, welche Personen Schlüsselpositionen einnahmen, welche Codes und Schlüsselwörter von den Wachen benutzt wurden, auf welchem Weg der Nachschub den Feind erreichte, welche Routen und Strecken von Patrouillen und Soldaten benutzt wurden. Und der Ninja musste das feindliche Spionagesystem bloßlegen und wenn möglich behindern oder zerstören.
Verwirrung sähen
Man musste den Feind verwirren und ihn mit falschen Informationen, Gerüchten und gefälschter Kommunikation im Unklaren lassen und verunsichern. In dieser Phase versuchte der Ninja auch Zwietracht und Unzufriedenheit unter den Soldaten zu fördern und sie gegeneinander auszuspielen. So konnte er z. B. als Überlebender in die Burg des Feindes kommen und von einem Feldzug erzählen, von Truppen und Bewegungen, die in Wirklichkeit gar nicht oder an anderem Ort stattfanden. Oder er verängstige die Soldaten mit Berichten über nächtliche Morde in anderen Lagern. Auf diese Weise konnten die Soldaten kein Auge mehr zutun und ihre Motivation und Bereitschaft sank ab.
Taktiken bestimmen
Der Ninja legte sich auch auf Beobachtungsposten, um die Kampftaktiken, Schlachtstrategien, die Stärken und Schwächen des Gegners herauszufinden. Er fand heraus, wie er seine Truppen platzierte und bewegte, erkundete die Truppenstärke, Bewaffnung und die geheimen Techniken und Taktiken des feindlichen Feldherren. Er fand heraus, an welchem Ort und zu welcher Zeit der Nachschub eintraf und ob weitere Truppen zur Unterstützung in der Nähe waren. Wenn ein Befehlshaber schlechte Vorlieben bei der Kriegsführung hatte, so unterstützte der Ninja diese Tendenzen.
Wenn er z. B. seine Kräfte aufsplitterte, so unterstützte man diesen Vorgang, wenn seine Front schwach war, dann versuchte man den General zu drängen, durch die schwache Front zu stürmen. Hatte der Feind eine starke Mitte, so riet der Ninja dem General, die Seiten zu treffen und die Truppen von hinten aufzurollen.
Gegenspionage
Gleichzeitig musste er sich auch Bemühen die eigenen Strategien vor dem Gegner geheim zu halten. Man ließ einer möglichen, verdächtigen Person wichtige Dokumente zukommen und wartete ab, wie sie reagierte (yamabiko shicho no jutsu, dt. die Kunst nach dem Echo zu lauschen). Wenn der gegnerische Spione erkannt war, galt es abzuwägen, ob man ihn eliminieren sollte oder ob man ihn am Leben ließ. Wenn man ihm am Leben ließ wurde er natürlich absichtlich mit falschen Informationen versorgt. Auch die Kampftechniken der ryū wurden streng geheim gehalten. In einigen ryū gab es sogar Techniken, die man für Fremde zeigen konnte, die einzig für die Täuschung erfunden worden waren.
Man überzeugte den eigenen General neue Techniken auszuprobieren und nicht standardisierte Befehle zu erteilen. So konnte man den Gegner bis zum entscheidenden Augenblick über die Wahrheit im Unklaren lassen.
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